New York City und Manhattan im Besonderen ist ein ungestümes und unwahrscheinlich lautes Monster. Es liefert ein perfektes Beispiel dafür warum Menschen in derartig hohem Aufkommen nicht auf die mickrigen 90km² gehören. Ich bin in den ersten Tagen, vom Jetlag und Schlafmangel geplagt und die kanadische Einöde gewöhnt, fast wahnsinnig geworden. Misanthropische Gedanken grüßten mich wie ein Freund aus alten Tagen und nichts sehnlicher wünschte ich mir zwei Quadratmeter für mich.
Langsam gewöhnte ich mich an die neue Situation, vor allem durch viel Schlaf. Es ist immer wieder faszinierend, wie der menschliche Körper die fremde Umgebung als bekannt akzeptiert – erst einmal, dass er es tut und dann in welch kurzer Zeit. Im Grunde brauche ich nicht mehr als eine Nacht um mich zurecht zu finden. Spätestens am dritten Tag verhalte ich mich, als hätte ich schon die letzten Monate nichts anderes gemacht, als dort ein und auszugehen – nach außen hin. Innen tobt wie immer ein kleiner Kampf, mal näher an der Oberfläche, mal mit subtileren Waffen. Ich wusste eines und nur das englische Wort kann es so präzise ausdrücken; I was distracted. Verwirrt, abgekommen von meinem Pfad.
Ich weiß zum Glück, was ich tun kann, um mir zu helfen und dafür bin ich so dankbar!
Schon als ich in L.A. aus dem Yoga Studio „7th Chakra“ getreten war, wusste ich, dass es bestimmt nicht das letzte Mal war, dass ich eines betreten hatte. Moni hatte mich aber mit ihren Erfahrungen beeindruckt und geprägt; ich wollte Kundalini Yoga machen. Also gut, spätestens in New York wollte ich wieder Yoga machen. In einem Studio, mit echten Lehrern und wunderschöner Gruppenatmosphäre, wie ich sie in L.A. erlebt hatte.
Selten trennen Janis und ich uns, um auf eigene Faust die Umgebung zu erkunden. Selbst wenn der andere (meistens ich) kaum Lust auf das ein oder andere hat, arrangiert man sich. Ich bemühe mich, mich nicht meiner Laune hinzugeben.
Trennen ist auch ein sehr hartes Wort. Wir sind hier zu zweit und wollen die Dinge zu zweit erleben und erforschen. Als ich Yoga erlebte und weiter erforschen wollte, drängte ich Janis in keinem Fall, es mit mir zusammen zu machen. Wenn er eine kleine Spur Interesse gehabt hätte, vielleicht. Aber ich kann den Hokuspokus genießen, Janis nicht.
So stand ich mit drei Arbeitern im Aufzug, die mir freundlicherweise nicht nur die Tür geöffnet hatten, sondern auch gleich zeigten, wo ich das Studio finden würde. Man muss durch Zahlenkombinationen beim Appartmen „klingeln“ und herein gelassen werden. Die Kombi erfährt man im Internet – doch bevor ich mich zum dritten Mal vertippen konnte, erlösten mich die Arbeiter aus dem fünften Stock. Sehr nett!
Memo Nummer Eins; Selbst ohne den stetigen (Reise)partner ist man nicht allein.
Mit der Tür zum Studio öffnete ich auch das Tor zu einer anderen Welt. Der typische Duft des fernen Indiens stieg mir in die Nase. Der Raum war schmal und lang, nicht besonders groß. Eine „Verkaufstheke“ gab es dennoch, ein großes Regal für die Habseligkeiten der Yogi-ierenden, eine Bank mit großem Buddha und einen Umkleideraum. Eine ältere Yoga-Lehrerin gab mir die nötigen Formulare, beantwortete meine Fragen mit freundlicher Stimme, aber nicht ernsthaftem Interesse. Ich musste direkt an Premdev Kaur in Los Angeles denken und mit welch einer Freude sie mich begrüßt hatte und anderen Yoga-Schülern vorgestellt hatte. Fast wollte ich wehmütig werden, doch ich schob den Gedanken zur Seite und bemühte mich, die Situation einfach und offen auf mich zukommen zu lassen.
Nachdem ich sämtliche Informationen erhalten hatte, die ich brauchte und mich meiner Schuhe entledigt hatte, hatte ich noch zehn Minuten, bis der Kurs beginnen sollte. Perfekt, um ein bisschen herunter zu fahren und das Geschehen um mich herum zu beobachten. Es waren nicht so viele Leute anwesend, vielleicht fünf oder sechs weitere Schüler und Schülerinnen. Sie alle nahmen keine großartige Notiz von mir, aber das war auch in Ordnung so.
Kurz vor zwei gingen alle in einen hellen Raum, ausgelegt mit Teppich und einem Podest. Ein großes Bild von Yogi Bahjan und Sätzen in Sanskrit schmücken die Wand zur linken. Eine zierliche Frau nahm auf dem Podest Platz, begrüßte uns mit leiser Stimme und starkem Akzent. Vielleicht ein spanischer … ? Ich weiß es nicht.
Nach dem Mantra zu Beginn legte sie uns eine der schwierigsten Übungen auf, die ich je gemacht habe. Sie war nicht kompliziert oder schwierig, aber anstrengend. Man legt die linke Hand auf die Brust, den rechten Arm wird im 60° Winkel gestreckt. Die Finger der rechten Hand formen eine Art Schwur. Dann atmet man hart ein und aus, durch den Mund. Automatisch bilden die Lippen ein „O“ und verharren dort für eine Ewigkeit. Unserer Lehrerin kannte kein Erbarmen. Ich weiß nicht, wie lange wir so lange verharrten – ohne Musik, die uns voran tragen, ein Zeitgefühl vermitteln. Mein Arm wurde taub und kribbelte zugleich, als das Gefühl daraus entwich. Mein linker Fuß schlief ein und meine Geischtsmuskeln verkrampften merklich. Es kribbelte im gesamten Wangenbereich und ich versuchte verzweifelt, mich zu entspannen und gleichzeitig den Rhythmus zu behalten. Erfolglos. Ich fiel mehrmals aus meinem Rhythmus, atmete falsch. Aber egal, mein Arm behielt seinen Winkel.
„Keep up, you’re almost there,“ sagte unsere Lehrerin auf der letztendlichen Hälfte. Ich kann schwer sagen, ob es bloße 5 oder gar 10 Minuten waren, die sie uns im strengen Ton einer starken Mutter anwies, nicht aufzugeben.
Als wir danach zur Entspannung auf dem Rücken lagen, brauchte ich einige Zeit, diese auch tatsächlich zu erfahren, so sehr hatte ich mich verkrampft. Eine Zeile aus ausgerechnet HaPe Kerkelings „Ich bin dann mal weg“ fuhr mir durch den Kopf. Ich sage „ausgerechnet“ weil ich mir jemand mit noch mehr Geist gewünscht hätte. Aber HaPe ist auch in Ordnung. Er vermutet dort, dass man wahrscheinlich zuerst in völliger Dunkelheit tappen muss, um erleuchtet zu werden. Dunkelheit kann hier alles bedeuten. In HaPes Fall war es ein Schatten. Bei mir vielleicht Schmerzen? Ich weiß es nicht – noch nicht.
Ich hatte mein Ziel jedenfalls erreicht; ich war außerhalb meiner Komfortzone.
In dieser Zeit haben wir, im Gegensatz zu Premdev Kas Kurs, sehr viel mehr gesungen und meditiert. Ich will keine weiteren Vergleiche anstreben, nicht bewerten ob es gut, oder schlecht ist. Unsere Lehrerin hat uns kurze prägnante Sätze der Weisheit geschenkt, meist aus dem Munde Yogi Bahjans. Das ist nicht schlimm, wirft auf ihn nur ein gotthaftes Licht, das mir nicht gefällt. Ich gehe nicht zum Kundalini Yoga, um mir eine weitere Religion oder Lebensweisheit nahe legen zu lassen und das Wort eines Mannes als das Absolute zu erkennen. Aber interessant finde ich es schon, was er zu sagen hat.
Ein Urteil zu fällen ist nicht unsere Aufgabe. Hör auf damit.
Sinngemäß natürlich.
Ich habe noch zwei Tage und viel Lust zum Yoga zu gehen. Vor allem auf Englisch!
Und schon jetzt weiß ich, dass ich Premdev Kaur in Los Angeles noch einmal besuchen fahre. Irgendwann, wenn ich vielleicht schon lang mit Kindern und Jugendlichen Yoga mache … ?
Im Folgenden gibt es ein Lied, das so unglaublich gut zu Übungen zum Energieaufbau passt. Es hat selbst so viel Energie.