Yoga

Where I found stillness in New York City

New York City und Manhattan im Besonderen ist ein ungestümes und unwahrscheinlich lautes Monster. Es liefert ein perfektes Beispiel dafür warum Menschen in derartig hohem Aufkommen nicht auf die mickrigen 90km² gehören. Ich bin in den ersten Tagen, vom Jetlag und Schlafmangel geplagt und die kanadische Einöde gewöhnt, fast wahnsinnig geworden. Misanthropische Gedanken grüßten mich wie ein Freund aus alten Tagen und nichts sehnlicher wünschte ich mir zwei Quadratmeter für mich.

Langsam gewöhnte ich mich an die neue Situation, vor allem durch viel Schlaf. Es ist immer wieder faszinierend, wie der menschliche Körper die fremde Umgebung als bekannt akzeptiert – erst einmal, dass er es tut und dann in welch kurzer Zeit. Im Grunde brauche ich nicht mehr als eine Nacht um mich zurecht zu finden. Spätestens am dritten Tag verhalte ich mich, als hätte ich schon die letzten Monate nichts anderes gemacht, als dort ein und auszugehen – nach außen hin. Innen tobt wie immer ein kleiner Kampf, mal näher an der Oberfläche, mal mit subtileren Waffen. Ich wusste eines und nur das englische Wort kann es so präzise ausdrücken; I was distracted. Verwirrt, abgekommen von meinem Pfad.

Ich weiß zum Glück, was ich tun kann, um mir zu helfen und dafür bin ich so dankbar!

Schon als ich in L.A. aus dem Yoga Studio „7th Chakra“ getreten war, wusste ich, dass es bestimmt nicht das letzte Mal war, dass ich eines betreten hatte. Moni hatte mich aber mit ihren Erfahrungen beeindruckt und geprägt; ich wollte Kundalini Yoga machen. Also gut, spätestens in New York wollte ich wieder Yoga machen. In einem Studio, mit echten Lehrern und wunderschöner Gruppenatmosphäre, wie ich sie in L.A. erlebt hatte.
Selten trennen Janis und ich uns, um auf eigene Faust die Umgebung zu erkunden. Selbst wenn der andere (meistens ich) kaum Lust auf das ein oder andere hat, arrangiert man sich. Ich bemühe mich, mich nicht meiner Laune hinzugeben.
Trennen ist auch ein sehr hartes Wort. Wir sind hier zu zweit und wollen die Dinge zu zweit erleben und erforschen. Als ich Yoga erlebte und weiter erforschen wollte, drängte ich Janis in keinem Fall, es mit mir zusammen zu machen. Wenn er eine kleine Spur Interesse gehabt hätte, vielleicht. Aber ich kann den Hokuspokus genießen, Janis nicht.

So stand ich mit drei Arbeitern im Aufzug, die mir freundlicherweise nicht nur die Tür geöffnet hatten, sondern auch gleich zeigten, wo ich das Studio finden würde. Man muss durch Zahlenkombinationen beim Appartmen „klingeln“ und herein gelassen werden. Die Kombi erfährt man im Internet – doch bevor ich mich zum dritten Mal vertippen konnte, erlösten mich die Arbeiter aus dem fünften Stock. Sehr nett!

Memo Nummer Eins; Selbst ohne den stetigen (Reise)partner ist man nicht allein.

Mit der Tür zum Studio öffnete ich auch das Tor zu einer anderen Welt. Der typische Duft des fernen Indiens stieg mir in die Nase. Der Raum war schmal und lang, nicht besonders groß. Eine „Verkaufstheke“ gab es dennoch, ein großes Regal für die Habseligkeiten der Yogi-ierenden, eine Bank mit großem Buddha und einen Umkleideraum. Eine ältere Yoga-Lehrerin gab mir die nötigen Formulare, beantwortete meine Fragen mit freundlicher Stimme, aber nicht ernsthaftem Interesse. Ich musste direkt an Premdev Kaur in Los Angeles denken und mit welch einer Freude sie mich begrüßt hatte und anderen Yoga-Schülern vorgestellt hatte. Fast wollte ich wehmütig werden, doch ich schob den Gedanken zur Seite und bemühte mich, die Situation einfach und offen auf mich zukommen zu lassen.

Nachdem ich sämtliche Informationen erhalten hatte, die ich brauchte und mich meiner Schuhe entledigt hatte, hatte ich noch zehn Minuten, bis der Kurs beginnen sollte. Perfekt, um ein bisschen herunter zu fahren und das Geschehen um mich herum zu beobachten. Es waren nicht so viele Leute anwesend, vielleicht fünf oder sechs weitere Schüler und Schülerinnen. Sie alle nahmen keine großartige Notiz von mir, aber das war auch in Ordnung so.
Kurz vor zwei gingen alle in einen hellen Raum, ausgelegt mit Teppich und einem Podest. Ein großes Bild von Yogi Bahjan und Sätzen in Sanskrit schmücken die Wand zur linken. Eine zierliche Frau nahm auf dem Podest Platz, begrüßte uns mit leiser Stimme und starkem Akzent. Vielleicht ein spanischer … ? Ich weiß es nicht.

Nach dem Mantra zu Beginn legte sie uns eine der schwierigsten Übungen auf, die ich je gemacht habe. Sie war nicht kompliziert oder schwierig, aber anstrengend. Man legt die linke Hand auf die Brust, den rechten Arm wird im 60° Winkel gestreckt. Die Finger der rechten Hand formen eine Art Schwur. Dann atmet man hart ein und aus, durch den Mund. Automatisch bilden die Lippen ein „O“ und verharren dort für eine Ewigkeit. Unserer Lehrerin kannte kein Erbarmen. Ich weiß nicht, wie lange wir so lange verharrten – ohne Musik, die uns voran tragen, ein Zeitgefühl vermitteln. Mein Arm wurde taub und kribbelte zugleich, als das Gefühl daraus entwich. Mein linker Fuß schlief ein und meine Geischtsmuskeln verkrampften merklich. Es kribbelte im gesamten Wangenbereich und ich versuchte verzweifelt, mich zu entspannen und gleichzeitig den Rhythmus zu behalten. Erfolglos. Ich fiel mehrmals aus meinem Rhythmus, atmete falsch. Aber egal, mein Arm behielt seinen Winkel.
„Keep up, you’re almost there,“ sagte unsere Lehrerin auf der letztendlichen Hälfte. Ich kann schwer sagen, ob es bloße 5 oder gar 10 Minuten waren, die sie uns im strengen Ton einer starken Mutter anwies, nicht aufzugeben.

Als wir danach zur Entspannung auf dem Rücken lagen, brauchte ich einige Zeit, diese auch tatsächlich zu erfahren, so sehr hatte ich mich verkrampft. Eine Zeile aus ausgerechnet HaPe Kerkelings „Ich bin dann mal weg“ fuhr mir durch den Kopf. Ich sage „ausgerechnet“ weil ich mir jemand mit noch mehr Geist gewünscht hätte. Aber HaPe ist auch in Ordnung. Er vermutet dort, dass man wahrscheinlich zuerst in völliger Dunkelheit tappen muss, um erleuchtet zu werden. Dunkelheit kann hier alles bedeuten. In HaPes Fall war es ein Schatten. Bei mir vielleicht Schmerzen? Ich weiß es nicht – noch nicht.
Ich hatte mein Ziel jedenfalls erreicht; ich war außerhalb meiner Komfortzone.

In dieser Zeit haben wir, im Gegensatz zu Premdev Kas Kurs, sehr viel mehr gesungen und meditiert. Ich will keine weiteren Vergleiche anstreben, nicht bewerten ob es gut, oder schlecht ist. Unsere Lehrerin hat uns kurze prägnante Sätze der Weisheit geschenkt, meist aus dem Munde Yogi Bahjans. Das ist nicht schlimm, wirft auf ihn nur ein gotthaftes Licht, das mir nicht gefällt. Ich gehe nicht zum Kundalini Yoga, um mir eine weitere Religion oder Lebensweisheit nahe legen zu lassen und das Wort eines Mannes als das Absolute zu erkennen. Aber interessant finde ich es schon, was er zu sagen hat.

Ein Urteil zu fällen ist nicht unsere Aufgabe. Hör auf damit.

Sinngemäß natürlich.
Ich habe noch zwei Tage und viel Lust zum Yoga zu gehen. Vor allem auf Englisch!
Und schon jetzt weiß ich, dass ich Premdev Kaur in Los Angeles noch einmal besuchen fahre. Irgendwann, wenn ich vielleicht schon lang mit Kindern und Jugendlichen Yoga mache … ?

Im Folgenden gibt es ein Lied, das so unglaublich gut zu Übungen zum Energieaufbau passt. Es hat selbst so viel Energie.

Allgemein, Quatsch

Das Liebesbekenntnis an die Salatgurke

Aus gegebenem Anlass:

Ich sprach es jüngst zwischen Herd und Kühlschrank aus,
doch wollt der Gedanke schon lang aus mir heraus;
Im Schranke weilt ein Lebensretter, der immer wieder seinen Einzug feiert,
und das aus einem ganz bestimmten Grund!

In früher Kindheit bewahrte sie mich vor der mir damals widerwärtig semi-festen Konsistenz der Tomate.
Begegneten wir uns zu Tisch verzog ich stetig das Gesicht,
Und während Mutter mit den Augen rollte, wusste ich zugleich was sie mir sagen wollte:

Probier‘, oder iss Gurke!

Und dabei blieb es bis ich war 20 Jahr‘.
Heute beglückt mich in der Not oder geplanter Weise die Gurke als kalte Speise.
Liebe Gurke, gib auf mich Acht, dass die Tomate im Salat-Gemisch zu suchen nichts hat!

Allgemein

Hat das Buch noch keinen Titel?

The more ways we have to connect the more many if us seem desperate to unplug.

Pico Iyer

Prolog
Wir begegnen uns zu meiner Schande am wohl dunkelsten Zeitpunkt meines Lebens. Entschuldigen Sie meine schlechte Stimmung, aber ich muss in wenigen Minuten mit meinem Sohn sprechen und ich weiß nicht was ich ihm sagen soll.
Seine Mutter ist während der Geburt
… es gab Komplikationen. Dem Baby geht es gut, es ist ein Junge, aber ich weiß nicht wie ich es Mark beibringen soll. Dass sein kleiner Bruder seine Mutter umgebracht hat? So etwas kann man doch zu keinem Vierjährigen sagen, oder?
Ich muss mich um viele Dinge kümmern, ich bin jetzt allein mit zwei kleinen Kindern. Luise war schwach, es schien fast so, als hätte sie gewusst, dass sie Jonah nicht mehr kennen lernen würde. Die Ärzte sagen, die Schwangerschaft sei voller Risiken gewesen, aber welche Frau wird heutzutage Mutter ohne Risiken? Und dann noch zwei gesunde Kinder. Das ist ein Wunder, oder nicht? Vielleicht kann ich Mark so etwas in der Art sagen, was glauben Sie?

Aus dem staatlichen Presse-Archiv,
Gespräch mit Andreas T., 04.09.2066

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Fortsetzung folgt. Der Anfang nach langem Kreativitätsloch ist gemacht, juhu! Und ja, es wird düster 😉

Fragen, Veränderung, Yoga

Wieso gilt Yoga als Allheilmittel wenn es mich frustriert?

Sonntag, den 5. April,
in Calistoga, California

Ich war zweifelsohne nicht besonders gut gelaunt. Warum ist nicht weiter relevant, um das Fragewort „Warum“ geht es heute nicht.
Zwei Wochen lang hatte ich im groben Zwei-Tagesrhythmus eine Art Yoga geübt, von der ich mir erhoffte, sie würde eines Tages tatsächlich dem Kundalini-Yoga, das ich während der Yoga-Class erlebt hatte, ähnlich werden. Zwischenzeitlich bleibt nicht viel Zeit, oder ich sitze im Auto und habe nicht viel Bewegungsfreiheit – oder es fühlt sich nicht danach an, jetzt, in diesem Moment Yoga zu machen und gar Mantras zu singen. Dann habe ich Angst vor diesem Yoga, das von sämtlichen Erfahrungsberichten in den Himmel gelobt wird, weil es mich hingegen frustriert.

Ich sitze in einem Rosen-Garten, über mir strahlt der blaue Himmel und in meinem Kopf arbeitet es.
Natürlich stelle ich mir Fragen; wie ging diese und jene Übung noch einmal? Hält man die Hand so, oder so? Und wann sind sechs Minuten vorbei? Wie beende ich eigentlich gleich meine Yoga-Übungen? Mit Meditation oder einem Sprung unter die kalte Dusche? Ob ich wohl jemals einen Handstand minutenlang aushalten kann? Ach ja, und wann kommt der alles beendende Frieden?
Das macht keinen Spaß. Moni hat mich, als wir in Los Angeles waren, nicht nur beraten, was ein gutes Yoga-Studio angeht und Erfahrungen mit mir geteilt sondern auch ein Buch (http://threeminstart.com/products/three-min-start-book/) mit drei-minütigen Übungen darin geschenkt.  Es beendet jede Übung damit, jeden Muskel im Körper noch einmal anzuspannen und zu entspannen (im Englischen fasst man diesen komischen Satz zusammen unter „squeeze your whole body“. Mir gefällt die Sprache immer besser).
Und dann kommt der abschließende Satz: enjoy the effect. Gespürt habe ich davon nichts.

Yoga bedeutet Arbeit an sich selbst
Was ich zunächst bemerkt gespürt habe, ist, dass Yoga, nimmt man es einmal ernst, weder ein esoterisches Blabla noch etwas, das leichtfertig zu behandeln ist. Ich gestehe, dass es esoterisch werden kann. Es kommt ganz darauf an, auf was man sich einlassen kann und was nicht. Ich kann mich beispielsweise nicht damit anfreunden, dass diverse Umstände und Ereignisse auf Erden auf Planetenkonstellationen zurück zu führen sind, wie es die Yoga-Lehrerin in meiner ersten Yoga-Klasse zu erklären versuchte.
Das ist ja das „vermeintlich“ Gute im Yoga; Es ist egal, aus welchem Grund du Yoga machst – Schaden kannst du damit allerdings nicht anrichten. (Dir selbst vielleicht, wenn du die Asanas nicht richtig machst.)

Bis zu dem benannten Sonntag
… hatte ich an dieser vielgelesenen Behauptung so meine Zweifel. Ich hatte keine Lust auf irgendwas, draußen herrschten keine angenehmen, sonst so bekannten kalifornischen Temperaturen mehr und es wollte sich nichts anbieten. Manchmal hat man einfach solche Tage. Und bevor mir der Himmel auf den Kopf fiel, drängte sich in mir der Gedanke an die Oberfläche, der sonst die umherschwirrenden Fragen produziert, jetzt aber kraftvoll und gebündelt zu mir sprach: Heb deine Arme bis ca 60°, spreize deine Finger. Danach geht’s dir besser, glaub mir. Eigentlich war es kein Gedanke, es war ein Drang, ein intuitives Bewusstsein dafür, wie ich die aktuelle Befindlichkeit heilen kann.

Ich hob also die Arme. Empfang die Anspannung, hielt stand, für eine unbestimmte Zeit. Nachdem ich die Arme wieder gesenkt hatte, umschloss ich mit derselben intuitiven Entschlossenheit die Faust meiner linken Hand mit den Fingern meiner rechten. Die Daumen zeigten nach oben. Mit den Augen halb geschlossen fixierte ich meinen Blick auf die Daumen, hob die Arme nur leicht vor meinen Oberkörper.

In mir öffnete sich ein Tor und dahinter lauerten viele Worte, die in einer Gewalt aus mir heraussprudelten, dass mir der arme Janis im Nachhinein leid tut. Man könnte in Yoga sagen ich hätte ein Energiefeld aktiviert – das glaube ich nämlich was es war. Auf der anderen Seite habe ich durch Üben, Arbeiten und Durchhalten ein Etappenziel erreicht. Und um dieses Gefühl dreht sich wohl das große Ganze und noch viel mehr!

Nach dem Rausch
Ich verstehe immer noch nicht, warum einige Leute nur Positives über Yoga berichten und nicht gestehen, dass es nicht nur Spaß und Erleuchtung ist. In Yoga-Zeitschriften liest man jedenfalls selten etwas anderes. In dem aktuellen Yoga Digest Magazine (www.yogadigest.com) gibt es einen Artikel, in dem Yoga kritisch betrachtet wird. Der Interview-Partner ist Yoga-Lehrer und Autor des vielfach gefeierten Memoirs „Waken“; Matthew Sanford. Die groben Züge seiner Geschichte sind berührend, tragisch und gleichen einer Wundergeschichte – und darauf steh ich total.
Er fasst die scheinbare Grenzenlosigkeit von Yoga zusammen und zeigt eben diese Grenzen mit einer Art auf, die gleichermaßen positive (Wunder)wirkungen nicht ausklammert.
Meine Suche nach Balance und der Möglichkeit, selbst dafür zu sorgen wird gleichermaßen beantwortet wie die wahrscheinlich deutsche Skepsis bezüglich irgendeiner Unfehlbarkeit und Grenzenlosigkeit.
Andererseits darf man tatsächlich einfach so an sich glauben! Ohne Grund und Hass.

Allgemein

Was macht dich wütend?

eine Bildergeschichte.

„Man kann ja sagen, was man will. Aber diese Dürre beschert uns ein fantastisches Wetter für das Wochenende!“ Vanessa ließ das Fenster herunter und frische Waldluft strömte in das Wohnmobil. Tyler nippte an seinem Kaffee. Es war Freitag Mittag, vor der Rushhour, die Straßen lagen wir leer gefegt vor ihnen da und in der Kühlbox wartete ein saftiges Steak auf den BBQ. Dazu scheint, wie Vanessa bemerkt hatte, die Frühlingssonne. Tyler seufzte zufrieden – es versprach, ein gutes Wochenende zu werden. „Nur noch fünf Meilen!“, sang er und trommelte mit den Fingerkuppen auf das Lenkrad. Valerie, ihre bildschöne Tochter, grinste und flüsterte ihrem Freund, der zum Leidwesen Tylers mitgekommen war, etwas ins Ohr. Daraufhin kicherte er blöde, verstummte aber sofort, als er Tylers Blick im Rückspiegel einfing. Vanessa hatte ihn spontan eingeladen, ohne ihren Mann auch nur nach seiner Meinung zu bitten. Und dann hatte er noch so einen bescheuerten Namen, Melvin.
Gegenüber von Valerie saßen die Zwillinge, Jeffrey und Tyler Jr und reckten aufgeregt ihre Hälse. „Mom, wo ist der Campingplatz?“ fragte der eine. „Ja, wo, wo ist er denn? Ich muss so dringend!“, stöhnte der andere. „Ruhe jetzt!“, rief Tyler nach hinten, bevor Vanessa etwas entgegnen konnte. Sie sah ihn mit diesem Blick an, den er nur ungefähr deuten konnte, sagt aber nichts. Irgendwas gefiel ihr wieder nicht. Aber wenn sie nichts sagt, dann eben nicht, fuhr es Tyler durch den Kopf, sagte aber laut und bemüht um einen versöhnlichen Ton:“Dort vorn ist der Eingang zum Park, dann sind’s noch 10 Minuten, hälst du das durch, Jeff?“ Eine kleinlaute Zustimmung vom Rücksitz stimmte ihn froh. „Das ist mein Junge!“

Vanessa griff plötzlich in Tylers Oberschenkel. „Stopp, halt mal an!“, rief sie vor Entzückung. „Ein WC?“, fragt Jeff hoffnungsvoll. „Nein, besser. Hör mal auf zu nölen und komm raus, Jeff!“ Tyler Jr. zerrte seinen Bruder am Arm ins Freie. Das Wohnmobil parkte auf einem Standstreifen neben einer großen und weiten Wiese. Dahinter erstreckte sich Nadelwald, so dicht, wie Jeff ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Doch über dem Wald und das registrierte er erst jetzt, weil er nach wie vor auf seine volle Blase konzentriert gewesen war, stürzte sich über mehrere hundert Fuß hoch tosendes Wasser in die Tiefe.
„Da kann man hinlaufen,“ sagte seine Mutter  begeistert mit einem Blick auf die Karte. „Eddie will dort auch hin, vielleicht treffen wir sie da.“ Eddie war Vanessas Cousine. Durch ein zufälliges Telefonat hatten sie erfahren, dass sie am selben Wochenende zu den großen Wasserfällen von Kalifornien fahren würden.
„Lass uns erst einmal das Wohnmobil abstellen, dann machen wir uns auf den Weg zum Wasserfall,“ schlug Tyler vor. „Zu Fuß?“ Valerie verzog das Gesicht. „Nein, soweit ich das sehe, gibt es ganz in der Nähe einen Parkplatz,“ wirft Vanessa schnell ein.

Eine Stunde später trug Tyler den Picknick-Korb den Weg zum Wasserfall hinauf. Die Zwillinge tollten zwischen den Bäumen abseits des asphaltierten Wanderwegs herum und nahmen von Vanessas Rufen, bitte auf sich aufzupassen nur notgedrungen Kenntnis. Valerie und Melvin liefen in sicherer Hörweite voraus.
Am unteren Becken des Wasserfalls angekommen fielen sich Eddie und Vanessa in die Arme und ließen sich zugleich auf einer Bank nieder, völlig ins Gespräch vertieft. Um sie herum kreischten Kinder, schimpften Erwachsene und schoben sich die Menschenmassen mit Kinder- und Picknickwagen vorbei, aber sie nahmen davon keine Notiz. Frauen. Nach kurzem Zuruf verschwanden Valerie plus Freund zwischen den großen Felsen, die viele andere Kinder als Spielplatz nutzten. Dort würden sie wohl keine Dummheiten anstellen …
Tyler hingegen schnappte sich die Zwillinge und sein iPad und kletterte seinerseits auf den Steinen des Flusses hinauf zum Wasserfall. Feine Wassertropfen benetzten sein Gesicht, aber er kümmerte sich nicht darum. Die Stromschnellen unter ihm zogen nur ein paar inch unter ihm hinweg – Tyler spürte erfreut den aufsteigenden Nervenkitzel.
„Dad, Dad, fängst du mich?“, fragte Tyler Jr an einer Stelle, an der die Steine besonders weit auseinander standen. „Mich auch!“, ruft Jeff sogleich. „Klar, wenn ihr springt,“ antwortete Tyler grinsend. Sie sprangen gleichzeitig in seine ausgebreiteten Arme und nur Tyler Jrs Fußspitze wurde nass. „Stellt euch mal dort hin,“ rief Tyler gegen den tosenden Lärm von Wasser und Menschenstimmen an. Er deutete auf einen größeren, spitz aufragenden Felsen hinter ihm und hebt das iPad hoch. Die Jungen verstanden, sprangen voran und stellten sich in Positur. Tyler wartete einen Moment, bis der Hintergrund frei von ungebetenen Fotomotiven war und drückt mehrmals auf den Touchscreen. Die Zwillinge fanden Spaß daran, fotographiert zu werden, drehten sich ein paar mal nach links, mal nach rechts, schnitten Grimassen. Tyler fotographierte lachend eine komische Pose nach der anderen, bis ihn plötzlich eine unerwartete Windböe erwischte. Er strauchelte, suchte Halt an einem Felsen hinter ihm, doch es war zu spät. Eine starke Hand packte seinen rechten Arm und bewahrte ihn davor, komplett ins Wasser zu fallen. Schwer atmend zog ihn ein Mann mitte fünfzig wieder auf die Beine. Tyler sah die Besorgnis in seinem Blick und bedankte sich schnell. „Keine Ursache, Mann. Ich glaub‘ nur, dein iPad ist Baden gegangen.“ Erst jetzt bemerkte Tyler seine leeren Hände und die erschrockenen Gesichter seiner Söhne.

„Domingos Cousin kann dir ein neues iPad besorgen, Tyler. Für dich macht er sicher einen Freundschaftspreis.“ Eddie zündete sich eine Zigarette an. Jeff und Tyler Jr spielten mit den anderen Kindern auf den Felsen Verstecken. Nur Vanessas Geistesgegenwärtigkeit, die Kinder sofort zum Spielen wegzuschicken und Tyler gut zuzuredn war es zu verdanken, dass Tyler keinen mittelschweren Wutanfall erlitt. Statt dessen saß er zwischen den Frauen auf der Bank und verzog mürrisch das Gesicht. „Das wäre nett, wenn du Domingo fragen könntest. Ich mache das dann bei der nächsten Gelegenheit wieder wett,“ antwortete er düster. „Klar,“ sagte Eddie. „Ming will den Toyota zum Camper ausbauen. Wahrscheinlich kann er da deine Hilfe gut gebrauchen.“ „Immer gerne.“ Tyler drehte das iPhone in seiner Hand.
Zum Glück hatte er das bei seinem Sturz nicht in der Tasche gehabt. „Damit kannst du ja auch Fotos machen. WiFi geht ja damit sowieso,“ sagte Vanessa schnell. Tyler schaute den anderen Leuten zu, die über die Steine der Aussichtsplattform auf den Wasserfall zukletterten. Die Menschen tummelten sich direkt vor dem Wasserfall, oder blieben in sicherer Entfernung hinter den Steinen zurück. Vielleicht sollte er das das nächste Mal auch lieber tun. Für die Natur war es eh besser, hatte er einen neunmalklugen Kerl sagen hören.
Und keiner von ihnen war so ein Idiot wie er und hielt sein Tablet dabei in der Hand, wenn er der Gefahr näher sein wollte als alle anderen. Tyler seufzte und biss in den Muffin, den Vanessa ihm hinhielt.

Tyler vor seinem Sturz mit iPad.
Tyler vor seinem Sturz mit iPad.
Allgemein

Was mache ich allein in Los Angeles?

7th Chakra Yoga in der 19171 Magnolia Street

Friday 20th 9 am: Kundalini Yoga with Gong Meditation

Hier sollte meine erste Yoga Class statt finden und ich war wirklich aufgeregt, denn diesmal war ich alleine. Kein Janis war da, der für mich einsprang, wenn sich ein sprachliches Loch auftat. Aber noch mehr war ich gespannt auf die Yoga-Lehrerin, das Ambiente im Yoga-Raum, die Übungen und die anderen Leute, die daran teilnehmen würden. Und; würden wir Mantras singen?

In der Luft schimmerte dezent ein indischer Duft, als ich das Studio betrat.

Premdev Kaur – die Yoga-Lehrerin – war ganz in weites weißes Leinen gekleidet und um ihren Kopf hatte sie einen weißen Schal geschlungen. Oberhalb ihrer Stirn war zu sehen, dass der Schal eigentlich mit einem Blumenmuster bedruckt und nicht ganz weiß war.

Der Vorraum zum eigentlichen Studio ist klein, vielleicht zwei Meter breit und fünf Meter lang. Trotzdem bietet er Raum für ein Regal mit Klamotten, die erworben werden können, eine Bank, unter der Schuhe abgelegt werden können sowie zwei Kommoden; auf der einen steht ein Wasserspender, auf der anderen die Kasse mit einem Computer.

Aus dem Yoga-Raum kamen die Teilnehmer der vorigen Yoga-Stunde um 7.30h – dort hätte ich auch gerne mitgemacht, aber leider kann ich nicht selbst mit dem Auto irgendwo hin fahren. Eigentlich reicht 9 Uhr auch. Einer von ihnen, Christian, sprach noch länger mit Premdev, während sie nebenher meine Daten in den Computer tippte. Er hielt seine Haare auch in einem Turban verborgen und sein Bart reichte ihm bis zum Kinn – da erinnerte ich mich, dass Moni erzählt hatte, dass die Männer im Kundalini-Yoga sich oftmals die Haare wachsen lassen. Nun, wenn man so übermäßigen Bartwuchs begründen kann …

Moni hatte mir ein weißes T-Shirt mitgegeben, auf dem „Be The Lighthouse“ steht, ein Aufruf des Kundalini-Entdeckers Yogi Bhajan. Darauf ist natürlich noch ein Leuchtturm. Premdev und Christian wollten tatsächlich wissen, ob das meine erste Yoga-Stunde war. Zum Glück glaubten sie mir – und begrüßten mich prompt mit „Sat Naam.“ Das heißt so viel wie „Wahre Identität“, ist eben eine Begrüßungsformel. Ich wusste nicht, was das bedeuten sollte, lächelte einfach und sagte schlotternd „Nice to meet you!“. Akzeptiert! Man wünscht sich eine inspirierende Yoga-Stunde und einen schönen Tag, dann geht’s los.

Der Yoga-Raum selbst hat Matten, Kissen und Decken, die man sich ausleihen darf. An der Decke hängen Musik-Boxen, vorne ist eine kleine Erhöhung, auf der Premdev sitzt und die Übungen zeigt. Dort steht auch die Musik-Anlage zu den Boxen, an die Premdev kurzerhand ihren iPod anschließt. Im Raum sitzen, als es schließlich 9 Uhr ist, acht Frauen inklusive mir und wollen Kundalini-Yoga machen. Den genauen Ablauf weiß ich leider nicht mehr. Mir viel es schwer, mich wirklich zu entspannen, weil die Gedanken nur so durch den Kopf schossen. Beim zweiten oder dritten mal kommt man wahrscheinlich am ehesten in den Genuss der vollen Effekte.

Premdev erzählte erst einmal ein bisschen über die Besonderheit des heutigen Tages; Neumond und Sonnenfinsternis an einem Tag – oder so ähnlich und die hohe Bedeutung für alle astrologisch feinfühligen Menschen, sie eingenommen. Denn weiterhin ging es noch darum, welch großen Einfluss Pluto auf sie hat und die verschiedenen Konstellationen der Planeten Einfluss auf die Ereignisse auf der Erde nimmt. An diesem Punkt konnte ich nicht so recht folgen.

Dann begannen die Lockerungen, das Dehnen, Atmen. Und; singen. Ich habe mir die Mantras, die man im Yoga singen kann, nicht genauer angeschaut – bevor ich nicht in einer Yoga-Stunde mitgemacht hatte, erschien mir das als nicht besonders sinnvoll, Worte zu singen, sie wohlmöglich falsch auszusprechen, mich belauschen zu lassen … wozu die Phantasie noch alles im Stande ist.

Es kam mir jedenfalls falsch vor, das ohne Anleitung zu machen.

Zuvor hatte Premdev leise gesprochen, sodass ihr plötzlich lautes Singen mich ein wenig erschreckte. Ich setzte sofort mit ein – und heute, als ich noch einmal die Mantras gesungen habe, klangen sie in meinem Kopf nach während ich die Übungen machte. Es ist ein sehr schönes Gefühl.

Kein bisschen komisch, nur fremd, noch unbekannt. Interessant.

Die Übungen – so sehe ich es jetzt, in reflektierter Form – steigerten sich, bis wir schwierige, anstrengende Positionen einnahmen, oder auf besondere, ungewohnte Weise ein- und ausatmen sollten. Einige wenige Übungen kannte ich schon, die meisten allerdings nicht, weil sie mit Atemübungend zusammen hingen. Damit hatte ich mich bisher gar nicht befasst.

Bald legten wir uns auf den Rücken, hatten die Augen über einen längeren Zeitraum geschlossen und lauschten dem über uns herüber rollenden Gongschlag. Ich weiß noch, wie Finger und Zehen prickelten ähnlich aber nicht gleich dem Gefühl, dass sie „eingeschlafen“ waren.

Beim Hinausgehen quatschte ich noch mit den anderen Frauen, einige waren sehr interessiert daran, wie ich den Weg in dieses Studio gefunden hatte und wann die Kinder in Deutschland Englisch lernen. Schade, dass die Stunde schon vorbei war, ich hätte absolut nichts dagegen gehabt, mit ihnen noch ein wenig Zeit zu verbringen.

Auch Premdev hatte so viele interessante Dinge zu erzählen, aber die nächsten Schüler warteten auf sie, denn sie hatte die Stunde zu unseren Gunsten überzogen.

Der Alltag holte uns alle ein. Ich fand mich zwei Minuten später in einem Supermarkt wieder und war noch gar nicht richtig da. Zu gerne hätte ich mich noch gerne einem Chakra geöffnet. Premdev hatte zuvor einen Park in der Nähe empfohlen, vielleicht hätte ich ihrem Rat lieber folgen sollen und darin einen Spaziergang gemacht.

Mehr ins Detail gehen kann ich nicht – selbst wenn ich es könnte, ich will es gerne für mich behalten, in meine Yoga-Schatzkiste verpacken in weißes Geschenkpapier und glücklich sein, dass ich den Sprung geschafft habe. Und noch mehr darüber lesen. Und zu weiteren Yoga-Classes gehen, vielleicht in Portland oder Seattle?

Philosophie

Ich will einfacher leben. Aber wie mache ich das?

Befindet man sich auf einer Weltreise, die mehrere tausend Euro verschlingt, kann man gut vom einfachen Leben reden. Menschen aus nächster Umgebung würden auch bestätigen, wie gerne ich Dinge besitze und wie leidlich ich werde, wenn ich das Objekt meiner Begierde nicht sofort haben kann. Am schlimmsten ist das Gefühl beim Internet-Shopping – hier wird suggeriert, dass man alles zum kleinsten Preis(Sternchen) inkl. Lieferung bekommen kann.
Werbung – sei es ein Spot, Plakat oder simple Mundpropaganda – sorgt an weiteren Stellen dafür, dass der Ideenfluss bezüglich dessen, (nicht wie sondern) wodurch das Leben noch mehr bereichert werden könnte. Wenn ich an unsere nächste Wohnung denke …

Die Frage, die sich mir nach ersten Überlegungen stellt ist, was es im 21. Jahrhundert bedeutet, einfach zu leben. Lebe ich isoliert wie ein Mönch, eine Nonne im Kloster, jäte dort das Unkraut im Gemüsebeet und nenne nichts meinen Besitz als das Neue Testament? Oder bleibe ich sesshaft bei meinen hundert Schafen, Kühen und freilaufenden Hühnern auf der Farm, genüge mich damit, den Ort und die umgebenen Wälder, Hügel und Berge besser zu kennen meine Westentasche?
So etwas ist für die meisten wahrscheinlich (denn ich habe sie nicht gefragt) unvorstellbar.
In unserem – meinem – reichen Leben hätte das einfache Leben mit Verzicht zu tun; wir tun so, als gäbe es bestimmte Dinge nicht in unserem Alltag, obwohl wir sie leicht haben könnten. Dieser Gedanke wiederum führt zu der Frage nach Besitz und dem Bewusstsein über das wahre eigene Bedürfnis hinter der Fassade, das ich erforschen müsste bevor ich etwas erwerbe.
Ich
bin sicher, dass ein jemand, der seinen Bedürfnissen auf der Spur ist auch gleichermaßen mit seinen Grenzen vertraut wird in der Frage wie einfach und reduziert er oder sie tatsächlich leben kann.

Verzicht
Der Verzicht ist wohl das schwierigste Unterfangen in Abhängigkeit von dem, auf das verzichtet wird und dem persönlichen Bezug dazu.
Für viele bedeutet dieses Vorhaben ein aufgesetztes Reglement, das uns einschränkt, uns gewisse Dinge zu tun verbietet. In fast allen Weltreligionen ist der Verzicht – mehr ein Fasten – ein unumgängliches Prozedere um den Geist und Körper zu reinigen. Besonders religiös muss man allerdings nicht sein, um Effekte wahrzunehmen. Gemeinschaftliches fasten mit Religionshintergrund“ kann das einzelne Selbst jedoch bestärken.

Während sich in der Religion das Fasten auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt, verzichten andere zum Beispiel in der alternativen Ernährung auf Fleisch oder ganz auf sämtliche tierischen Produkte. Die Gründe dafür sind ja allgemeinhin und spätestens seit Attila Hildmann bekannt. In der Ernährung auf bestimmte Lebensmittel verzichten zu können ohne Mangelerscheinungen in Kauf zu nehmen oder gar hungern zu müssen ist ein vergleichsweise luxuriöser Verzicht. Ich will das in keinster Weise verteufeln, ernähre ich mich doch selbst seit acht Jahren vegetarisch. Es geht nur um das vielfach angepriesene Bewusstsein. Klar esse ich bewusst, wenn ich kein oder wenig Fleisch esse, auf saisonale, lokale Bio- oder Fairtrade-Produkte (oder wie auch immer uns diverse Lebensmittel-Auszeichnungen verwirren). Aber die Produkte, die einen Veganer vor Mangelerscheinugen bewahren, kosten ihr Geld, wenn nicht in Form von Zeit.

Essen besitzt in der westlichen Kultur einen hohen emotionalen Wert. Ich habe unsäglich viele Süßigkeitenpakete gesehen, die der Kindergarten (in dem ich später zwei wunderbare Monate mit den Kleinsten verbringen durfte) anlässlich seiner Eröffnung von anderen Kindergärten geschenkt bekommen hatte. Zu Zeiten von personalem Mangel gab es als Stärkung Schokoladen-Muffins am Montag, Erdbeer-Törtchen am Freitag, wenn die Woche geschafft war. Das ist so üblich in einem sich liebenden Team mit einer team-liebenden Chefin.
Ich habe es mir selbst oft gesagt;“Ich bin gestresst, ich brauche das jetzt.“ Man kann sich ausmalen, was man ansetzen kann. Auch jetzt habe ich gut reden, muss mich nicht um zahnende (etc.) Kinder und ihre Eltern kümmern und nebenher meinen eigenen Alltag bewältigen.

Dennoch glaube ich, dass man selbst die Situation beschleunigt, nach dem Etwas, was auch immer man haben möchte, einfach greift und sich mit Ausreden beschwichtigt. Wie zum Beispiel:“Ich brauche das jetzt!“. Obwohl man weiß, dass es einem meist alles andere als gut tut, erst recht, wenn man sich wackelige Vorsätze geschaffen hat. Dabei muss es natürlich nicht Essbares sein (Frustshoppen …).

Mensch, das ist doch mal ein fließender Übergang ins nächste Thema;

Besitz
Ja, der Besitz. Wenn man nach (einer) meiner Schwachstelle(n) guckt, findet man genau das.
Seit ich mein eigenes Geld habe, investiere ich. In die Wohnung und nette Deko, in Klamotten, in Schreib- und Bastelkram … Wir reden viel über die neue Wohnung, die es 1.) gar nicht geben kann und 2.) für die wir wahrscheinlich andere Möchtegern-Mieter ermorden müssen laut dem aktuellem Stand der Wohnungssuche in Essen.
Die Liste von Wunsch-Investitionen ist lang, von der Gestaltung her ganz zu schweigen.

Die Umgebung leistet ihren Anteil zum emotionalen Befinden. Ist alles durcheinander, bin ich durcheinander, kann nicht denken, nicht ausruhen. Das klingt, als besäße ich authistische Züge, aber es geht anderen auch so (diesmal habe ich nachgefragt). Trotzdem führt das leider nicht dazu, dass ich gewissenhafter und regelmäßiger aufräumen würde …

Worauf ich hinaus will; Obwohl ich schon so viel Kram besitze um beispielsweise die neuen Wände in gesundem Ausmaße zu gestalten, will ich mehr mehr mehr mehr (mehr mehr mehr), einfach, weil es so viele tolle Sachen gibt! So viele Möglichkeiten! Und das für wenig Geld.

Wie meine Mama so gern sagt; Selber denken macht schlau. Nachdenken. Ich brauche das alles wirklich nicht. Was ich tatsächlich brauche und wie ich dorthin komme, finde ich folgendermaßen heraus:

Das eigene Bedürfnis kennen lernen und entsprechend Prioritäten setzen
Ein leidiges Thema für diejenigen, die noch ihre ersten Orientierungspunkte knüpfen und noch nicht wissen, was sie eigentlich wollen. Dummerweise müssen wir das immer wieder machen und uns noch vor fiesen Kritikern in unserer Umgebung wahlweise vor uns selbst als gnadenlosester Kritiker verteidigen.

Einiges wird dem Menschen schon von Kindsbeinen eingetrichtert und je nach dem, wie die Eltern oder Einrichtung ihre Wertvorstellungen umsetzen wird sich das zu Herzen genommen. Was zu Hause Thema ist, egal in welchem Ausdruck, findet sich meist in den Sprösslingen wieder, entweder in Zustimmung oder absoluter Ablehnung. Das kommt darauf an, was man im Laufe des Lebens erprobt und für sich verifizieren konnte.

Ich sprach ja bereits von dem Zusammenhang zwischen Befinden und Essen – mir geht’s besser, wenn ich einigermaßen vernünftig esse. Wenn ich das weiß, gehe ich auch anders einkaufen.
Über Instant-Nudeln brauchen wir auf der Reise oder zu Hause gar nicht nachzudenken. Ernährung ist für mich übrigens so ein Thema, weil Essen das erste ist, was wir uns am Morgen in direkter materieller Form und Konsequenz zuführen – und natürlich, weil ich daran hänge. Momentan streiche ich (für meine Verhältnisse) recht erfolgreich Schokolade und andere Süßigkeiten. Zu Anfang stand ich hin und wieder vor den Regalen und musste mich eindeutig und quälend fragen ob ich das wirklich brauche und haben möchte. Beim ersten Einkauf tat’s weh, beim zweiten ging es schon besser und jetzt schau ich schon gar nicht mehr ins Regal.

Mein couragiert lehrender Biologie-Lehrer betonte immer wieder, wie schlecht die von Kohlenhydraten und gesättigten Fettsäuren gespeisten Schokoladen-Riegel seien, die im Automaten der Schule erhältlich waren. Und im nächsten Satz von Dopamin-Ausschüttung verursaucht durch Schokolade, auf die selbst er nicht verzichten könnte. Ich habe heute ein Eis gegessen, mit Schokoladenüberzug. Man muss ja nicht übertreiben und sich gar nichts gönnen. In diesem Sinne; geringe Quantität schafft Qualität.

Aus diesem Grund habe ich die Formulierung „kennen lernen“ gewählt. Das lässt, wie ich hoffe, erkennen, dass man vieles ausprobieren und daran erkennen kann, was einem wirklich zusagt. Für mich klingt das erst einmal nach jede Menge Spaß. So verhält sich doch auch die Jugend, oder nicht?
Meine Erfahrung dabei ist, dass viele Wege nach Rom führen. Ob mich, in meinem Beispiel, Sport zu optimaleren Ernährung führt und auf Dinge, die mir schaden, verzichten lässt oder das ökologische Bewusstsein gegen Fleisch aus Massentierhaltung sprechen lässt – ist total egal. A führt nach B und C. Die Schritte schlagen verschiedenste Richtungen ein. Möglicherweise bin ich an dieser Stelle etwas unkreativ, mir andere Beispiele als Ernährung einfallen zu lassen. Aber ich bin mir sicher, dass man auch in anderen Bereichen seinem Geist eine Stimme geben kann, die laut und klar für sein Wohlbefinden spricht. Laut, klar, selbstbewusst.

Man neigt dazu, jeden freien Moment, in dem man augenscheinlich nichts tut, mit Input zu füllen – Informationen, Reizen. Musik, TV, Internet oder sogar ein Buch. Hat man besonders viel um die Ohren, hilft es bestimmt, einfach das Gegenteil zu tun. Füll dich mal mit einem Bild in zehn Minuten statt 34894508 Bildern pro Sekunde.

Ich finde, dass sich das anfühlt, als würde das Gehirn Zeit zum Verpacken und Sortieren finden.

Vor einiger Zeit, als ich etwas zu den Hintergründen von Yoga und Meditation recherchierte, stieß ich auf einen Auszug aus Pico Iyers „The Art Of Stillness“ und einen Vortrag von ihm bei Ted.com. Er erzählt auf nicht wirklich wissenschaftlich fundierter aber dennoch sehr interessanter Basis über den wachsenden Wunsch in der Gesellschaft nach leisester Isolation und Stillstand in Zeiten von stetiger Erreichbarkeit und Schnelllebigkeit. Ich halte in den USA Ausschau nach seinem Buch.

Witzig ist, dass ich zu Hause das Gefühl der Starre hatte und Bewegung, Abwechslung, Fortschritt in der Reise suche – und jetzt stillstehen möchte. Wenn es nicht sogar bescheuert ist.

We don’t need all the things we see, all the things we see,

all the things …

(Choose Love von Sebastian Lind)